Nur wenig Grund zum Feiern – Konsequente Umsetzung der sozialen Menschenrechte bleibt dringende Aufgabe für die neue Regierung
Pressemitteilung zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember
Nur wenig Grund zum Feiern – Konsequente Umsetzung der sozialen Menschenrechte bleibt dringende Aufgabe für die neue Regierung
Pressemeldung (pdf)
Zwar werden die Feiern zum Tag der Menschenrechte schon aufgrund der Corona-Maßnahmen auch in diesem Jahr sehr sparsam ausfallen, aber auch sonst gibt es wenig Grund zum Jubeln. Nicht nur wegen der Defizite bei der globalen Umsetzung der Bürger- und Freiheitsrechte, sondern auch und gerade weil die durch den UN-Sozialpakt garantierten sozialen Menschenrechte (siehe unten) in der Bundesrepublik immer noch nicht verwirklicht wurden und auch im Koalitionsvertrag der neuen Regierung nur unvollkommen angepackt werden.
Die Große Koalition hat ihr Versprechen, die dafür erforderliche Ratifizierung des Zusatzprotokolls in der vergangenen Legislaturperiode vorzunehmen, nicht eingehalten. Im Koalitionsvertrag der soeben gewählten Ampel-Koalition heißt es jetzt endlich ohne Einschränkung: „Das Zusatzprotokoll zum Sozialpakt werden wir ratifizieren.“ Auch die angekündigte strukturelle und finanzielle Stärkung des Deutschen Instituts für Menschenrechte ist begrüßenswert. Leider ist die erforderliche Umsetzung der einzelnen sozialen Menschenrechte aber nur sehr vage formuliert.
Zum sozialen Menschenrecht auf Wohnen – das heißt angemessener Wohnraum für alle – heißt es, Wohnen sei ein „Grundbedürfnis“, aber der Beitrag für ausreichenden Wohnraum sieht lediglich als „unser Ziel…“ den Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr vor, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Die konkreten Anforderungen des UN-Ausschusses an die Bundesregierung werden nicht einmal erwähnt. Wir wiederholen also unsere Forderung von letztem Jahr nach Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für die soziale Wohnversorgung und effektive Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Wohnungsspekulation.
Ein brandaktuelles Thema bleibt der Kampf gegen den zunehmenden Rassismus, auch in Deutschland. Der im Koalitionsvertrag angekündigte Kampf gegen Antisemitismus, Antiziganismus und Rassismus ist zwar begrüßenswert. Der nach wie vor bestehende strukturelle und institutionelle Rassismus in vielen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen (von Bildungseinrichtungen bis hin zu Ausländerbehörden, Polizei, Verfassungsschutz und Militär) wird aber nicht einmal erwähnt. Unsere Stiftung arbeitet weiter mit Hochdruck mit vielen anderen Organisationen an einem NGO-Parallelbericht zum Staatenbericht der Bundesregierung an den UN-Ausschuss gegen rassistische Diskriminierung (ICERD).
Wir sehen also noch keinen Grund für die Entwarnung. Zumal die Auswirkungen der Corona-Krise Armut und soziale Ungleichheit noch einmal spürbar verschärfen werden.
Eberhard Schultz betont: „Gerade in Zeiten zunehmender sozialer Spaltung in einem der reichsten Länder der Welt bleibt, auch aufgrund dramatischer Folgen der Corona-Krise, die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte alternativlos.“
Die sozialen Menschenrechte müssen ein wichtiges Fundament für eine gerechte Gesellschaft ohne die Ausgrenzung von Minderheiten und Marginalisierten werden!
Alle reden von Corona – Wir kämpfen gegen die wachsende soziale Spaltung und für soziale Menschenrechte!
Zur Bedeutung der sozialen Menschenrechte
Soziale Menschenrechte sind keine Almosen, die eine reiche Gesellschaft etwa an Arme und Bedürftige austeilt. Sie gelten für jeden Menschen unabhängig davon, ob sie wahrgenommen und eingeklagt werden (müssen) oder nicht. Wir brauchen nicht krank zu sein, um das Recht auf bestmögliche Gesundheitsversorgung zu verteidigen. So wie wir ja auch nicht wählen gehen müssen, um das allgemeine Wahlrecht anzuerkennen. Deswegen ist auch der Kampf um die Verwirklichung sozialer Menschenrechte nicht nur eine Angelegenheit gesellschaftlich benachteiligter Personen oder Gruppen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für alle. Die sozialen Menschenrechte können ein Fundament für eine wirklich sozial gerechte Gesellschaft werden.
Zur Entstehung der sozialen Menschenrechte im historischen Kontext
Am 16. Dezember 1966 wurde der „Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte“ (kurz UN-Sozialpakt) von der UN-Vollversammlung einstimmig verabschiedet. Der Sozialpakt garantiert völkerrechtlich verbindlich die grundlegenden sozialen Menschenrechte, darunter das Recht auf Arbeit, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf Gesundheitsversorgung sowie die Rechte auf Bildung, angemessene Nahrung und Wohnung. Die individuellen Freiheits- und Bürgerrechte können nur verwirklicht werden (so die Präambel), „wenn Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder seine wirtschaftlichen, sozialen wie kulturellen Rechte ebenso wie seine bürgerlichen und politischen Rechte genießen kann.“ Die Bundesregierung hat den Sozialpakt 1973 ratifiziert, aber noch nicht in Kraft gesetzt.
Das internationale Übereinkommen der UN zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung
Die Bundesrepublik Deutschland hat das internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form rassistischer Diskriminierung vom 7. März 1966 (ICERD) ratifiziert. In diesem Rahmen unterrichtet die Bundesregierung den UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) regelmäßig über die Maßnahmen, die staatliche Stellen zur Verhinderung und Beseitigung von rassistischer Diskriminierung ergreifen. Aktuell hat die Bundesregierung den 23. bis 26. Staatenbericht vorgelegt. Der UN-Antirassismus-Ausschuss wird sich im kommenden Jahr mit dem Staatenbericht Deutschlands befassen. Dabei prüft der Ausschuss, wie Deutschland seine Verpflichtungen aus der UN-Antirassismus-Konvention umgesetzt hat und unterbreitet der Bundesrepublik Deutschland Handlungsempfehlungen.
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