Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel setzt die Missachtung des sozialen Menschenrechts auf angemessenen Wohnraum für Alle fort
Die Umsetzung des sozialen Menschenrechts auf Wohnen ist dringender denn je!
Pressemitteilung (pdf)
Die Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation kritisiert die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel aufs Schärfste und fordert die Umsetzung des sozialen Menschenrechts auf angemessenes Wohnen für Alle.
In ihrem Urteil bestreiten die Richter*innen in Karlsruhe die Zuständigkeitskompetenz der Länder für die Regulierung der „ungebundenen Wohnungen“, ohne sich mit den berechtigten Anliegen der Mieter*innen auseinanderzusetzen.
Zudem enthält das Urteil des 2. Senates kein Wort über den „UN-Sozialpakt“, der ausdrücklich das soziale Menschenrecht auf angemessene Wohnung zu erschwinglichen Preisen für Alle festschreibt und völkerrechtlich verbindlich ist, und für dessen Umsetzung wir seit zehn Jahren kämpfen.
Hierfür fehlt insbesondere die längst überfällige Unterzeichnung des Zusatzprotokolls durch die Bundesregierung als Voraussetzung für die vollständige Umsetzung in Deutschland.
Dr. Andrej Holm, Mitglied des Kuratoriums unserer Stiftung, fordert:
- einen Berliner Notfallfonds zur Vermeidung von Zwangsräumungen und einer Schuldenfalle für viele Mieter*innen in Berlin
- eine Verankerung des Mietendeckels durch ein neues Landesgesetz, wenigstens bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen mit 330.000 Wohnungen, für das die Berliner Zuständigkeit unbestreitbar ist
- einen Einsatz der Berliner Landesregierung für ein bundesweites Mietenstoppgesetz
Für viele Mieter*innen ist der nun einzige Rettungsanker und die nächstliegende Lösung die von der Initiative Deutsche Wohnen & Co. & enteignen! angestrebte Sozialisierung von großen Wohnungsunternehmen.
Es ist an der Zeit, die Sozialisierung endlich in die Tat umzusetzen – unsere Stiftung begrüßt die Proteste und Forderungen der betroffenen Mieter*innen, ihrer Organisationen und Initiativen.
Berlin, den 21.04.2021. Rückfragen: Eberhard Schultz, mobil: 0172 – 4203768
Soziales Menschenrecht auf angemessenen Wohnraum für Alle
Als Stiftung setzen wir uns für die Durchsetzung der sozialen Menschenrechte ein, mit besonderem Fokus auf das Recht auf Wohnen. Die Situation am Wohnungsmarkt hat sich dramatisch verschlechtert. Immer mehr Menschen finden keinen bezahlbaren Wohnraum, werden aus den Städten verdrängt oder gar in die Obdachlosigkeit getrieben. Diese Probleme werden durch die Corona-Krise erheblich verschärft. Neue Untersuchungen von Oxfam und Paritätischem Gesamtverband zeigen die dramatische Zunahme der sozialen Spaltung.
Als rechtliches Fundament für die gesellschaftspolitische Arbeit im Bereich Wohnen bietet sich das soziale Menschenrecht auf angemessenen Wohnraum für Alle an, wie es im Art. 11 I UN-Sozialpakt von 1966 und in verschiedenen Landesverfassungen festgeschrieben ist:
„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum.“ (Artikel 28 der Berliner Landesverfassung)
Der Staat kommt seiner Verpflichtung bei der Umsetzung dieser Normen nicht nach!
Hierzu hat die damalige Sonderberichterstatterin der UN für das Recht auf Wohnen Leilani Farah in ihrer Botschaft auf einer Veranstaltung unserer Stiftung im Oktober 2019 ausgeführt: „Der Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum ist das dringlichste Thema in vielen Städten weltweit. […] Wenn wir die Kommerzialisierung angehen wollen, brauchen wir einen fundamentalen Paradigmenwechsel; wir müssen das Recht auf Wohnen als Menschenrecht implementieren und die Regierung zur Verantwortung ziehen, so dass ein sicherer und würdevoller Zugang zu Wohnraum gewährleistet wird. Zur Durchführung eines solchen Paradigmenwechsels brauchen wir Organisationen, die sich auf lokaler Ebene engagieren und die Regierungen zur Verantwortung ziehen, um die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen. Die Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte ist eine solche, wichtige Organisation in diesem Bereich.“
NGO-Parallelbericht zum sozialen Menschenrecht auf Wohnen
Im letzten Jahr haben wir mit 20 NGOs einen sogenannten Parallelbericht zum Staatenbericht der Bundesregierung für das Überprüfungsverfahren der UN fertiggestellt. Der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (CESCR) hatte konkrete Maßnahmen zur Behebung der akuten Wohnungsnot angemahnt und einen Zwischenbericht angefordert.
In diesem Zwischenbericht vom 12.10.2020 bezieht sich die Bundesregierung nur auf zwei von sechs dringenden Empfehlungen zur Verwirklichung des sozialen Menschenrechts auf Wohnen. Sie legt keine Strategie zur „vermehrten Bereitstellung bezahlbarer Wohneinheiten für benachteiligte Gruppen“ vor und zeigt im Hinblick auf die Bewilligungspraxis für die Kosten der Unterkunft ein mangelndes Problembewusstsein. Auf die Forderungen aus unserem Parallelbericht geht die Bundesregierung nicht ein.
Eberhard Schultz betont: „Gerade in Zeiten zunehmender sozialer Spaltung in einem der reichsten Länder der Welt ist, auch aufgrund dramatischer Folgen der Corona-Krise, die Verwirklichung der sozialen Menschenrechte alternativlos. Deshalb arbeiten wir derzeit wieder gemeinsam mit Expert*innen und anderen Organisationen an einer kritischen Stellungnahme zum Zwischenbericht der Bundesregierung, der spätestens im kommenden Jahr vom UN-Ausschuss behandelt wird.“